Vor, im und nach dem Massnahmenvollzug sind wir eigentlich alle betroffen, was vielen nicht bewusst ist. Leidtragend sind aber die Ausgestossenen, Geächteten, die dem gesellschaftlichen Wunsch von weg und aus dem Sinn zu Opfer fallen. Doppelt oder dreifach ausgegrenzt sind deren Angehörige, die Menschen sind unter uns, doch ein Schattendasein führen. Sie müssen ihr Opfersein in einem Straf- und Massnahmenvollzug schlucken und geheim halten um nicht geächtet zu werden und zusätzlich belastet. Bringen sie sich ganzheitlich, hinterfragend oder auch kritisch ein, ist es zum Nachteil des Betroffenen im Vollzug, der in vielen Institutionen und bei den meisten Vollzugsbeamten, Gerichten so sofort zum Renitenten und fehlend Therapiemotivierten wird. Die Angehörigen selber gelten für den Staat und seine Verwaltung nicht nur als nicht dankbar sondern querulant, wenn sie es wagen amtliche Stellen anzusprechen. Schuldbewusstsein und Scham wird von ihnen verlangt. Wie alles Unerwünschte sollen auch sie nicht in Erscheinung treten. Tun sie es trotzdem verdienen auch sie Hohn und schärfste Verurteilungen von vielen forensisch Tätigen in der Psychiatrie. Ihr Mitgefühl mit dem kranken Angehörigen wird per se als narzisstische und paranoide Persönlichkeitsstörung angesehen, die keine Empathie für die behandelnden Ärzte, Pfleger und weitere Staatsbeamten zeigt und somit selber zu einem die Gesellschaft störenden und kriminellen Element wird.
Ihnen wollen wir eine Möglichkeit geben ihr Selbstbewusstsein zu behalten, auch wenn die Psychiater das als narzisstisch betrachten. In deren Augen bedeutet therapeutischer Erfolg ja zu sagen zur doppelten Strafe und zur Behandlung ihrer gefundenen, manchmal erfundenen Diagnosen und der von der Pharmaindustrie als gut erforschten Medikation. Unerklärt und unreflektiert gilt ihr Wort wie das des Papstes:
Urbi et orbi.
Was es für einen Angehörigen bedeutet ja zu sagen, wenn der geliebte Sohn, Ehemann, Bruder in einem kranken Zustand wegkommt, zum Beispiel im Falle einer Schizophrenie unkontrolliert zwangsmediziert wird, ohne dass man ein-bezogen wird. Ihm beizustehen im Zurückfinden in eine allgemeinverbindliche Wirklichkeit wird nicht zugelassen. Ausgehalten werden muss die Vorstellung seines Leidens und Unaufgehobensein, bis man es dann ansatzweise in 1 Stunde hinter der Trennscheibe live mit erleben kann und hören in den 10 Minuten langen Telefonaten.
Forensisch Tätige erhöhen das Problem des Kranken in einer psychiatrischen Be-handlung, der Grundkenntnisse bezüglich Regeln einfacher ärztlicher Kunst fehlen: So wird der für jede medizinische Intervention verlangte und vorausgesetzte zwischenmenschliche Bezug nicht versucht herzustellen, sondern im voraus abgesprochen, eine Bereitschaft fehlt eine Beziehung anzubieten. Viele wenn nicht die meisten Forensiker fühlen sich als Scheriff und Herold der Gesellschaft und des Staats. Jeder muss sich ruhig verhalten und sie gut finden, ihnen dankbar sein für die mentalen Zwangsjacken. Sie reflektieren ihre Allmachtsfantasien nicht. Die fehlende Einwilligung in eine Behandlung nach ihren Vorstellungen heisst gefährlich bleiben wollen, unabhängig von Diagnosekriterien und Einteilungen. Der allgemein-psychiatrische, anerkannterweise geforderte, therapeutische Einsatz mit Einbezug der Angehörigen um Verständnis in Diagnose und Procedere zu erarbeiten und seelischer Bezug herzustellen, wird verneint aufgrund der Delinquenz. So haben weder inhaftierte Menschen eine Chance auf Mitmenschlichkeit noch deren Angehörige.
Die Forensik gibt tatsächlich naturwissenschaftlich gesehen die Aufgabe soziale Verhältnisse und Umstände einbeziehen zu müssen. Sie muss gnadenlos verlangen dass alle Befunde auf allen Ebenen überprüfbar und nachvollziehbar werden müssen um nicht zur Rechtfertigung eigener Vorstellungen zu verkommen. Ver-wahrungen und Ausgrenzungen sind so die Folge ohne dass ein konkreter Behandlungsversuch je einsetzte.
Dürfen Angehörige mit vor der Tat gut funktionierenden Beziehungen und Kontakten keine körperliche Nähe zu und keine Gespräche mit inhaftierten Schizophrenen haben wird ihre Gesundung übermässig erschwert. Dürfen sie mit ihm zusammen und den Ärzten sprechen, kann sich sein und ihr Misstrauen besser auflösen, die realitätsferne schizophrene Welt kann eher losgelassen werden. Weggesperrt gehalten ohne dass Missverständnisse geklärt werden können, fördert Chronifizierung der Krankheit. Ohne seine Angehörigen und sein Zuhause wieder erleben zur dürfen ist die Rückkehr zur Realität viel schwieriger. Häufig verun-möglicht es dem Kranken je wieder einen gesunden Anschluss zu finden. Wenn Schizophrene sich nach einem Krankheitsschub, in denen sich Straftaten ereignen können ohne eigentlich hohes kriminelles Potential durch den Verlust des Gespürs von sich selbst und der adäquaten Einschätzung für die Realität nicht mehr in ihrer alltäglichen Realität wiederfinden dürfen ist das Krankheit erhaltend und negative Einstellung fördernd. Beides führt eindeutig eher zu Asozialität, Dissozialität oder Kriminalität. Vor allem krankmachend und Kriminalität fördernd sind therapeutisch nicht aufgearbeitete Zwangsmedi-zierungen, -fixierungen und Isolationen von Helfern. Im gesunden Erleben einer feindlichen Wirklichkeit ausgesetzt zu bleiben belastet schon, wird aber ein Kranker mit schizophrenem Erleben dem ausgesetzt und werden gar seine Angehörigen vom Staat und der Forensik ohne Grund mit-verteilt, erschwert das ihre Gesundung und Resozialisierung massiv. Nach Jahren andauernder Internierung ohne Kontakt sind ihre gewachsenen Bezüge zerstört.
Von Angehörigen zu erwarten diese Erfahrungen, Anblicke, dieses Leiden schweigend und dankbar zu ertragen ist pervers. Dass man die Gestörten ihnen und der Gesellschaft abnehmen soll und die Gesellschaft vor ihnen schützen, die Gesellschaft säubern erinnert an das Denken im letzten Jahrhundert. Doppelt gestraft sollen sie dankbar sein und unauffällig bleiben, sonst vermutet man auch bei ihnen kriminelles asoziales Potential. In forensischen Einrichtungen herrscht ein Geist von totaler Kontrolle und Brav Bub und Liebmädchen sein müssen. Vor allem gibt es keinen realen Kontakt mehr, alles wird über mentale Muster von Frage-bogen eruiert, die die ärztliche Stärke und Kompetenz definieren. Der Erkrankung angepasste Behandlungsrichtlinien, ethische Richtlinien oder normale Umgangs-formen gibt es hier nicht: Gehorsam, Unterdrückung und Bereitschaft zur Zwangsmedikation sind gefragt.
Wir wollen mithelfen, dass Angehörige sich als Menschen unter uns wohl fühlen dürfen und sie ihr Recht auf Anerkennung haben. Wir möchten die Öffentlichkeit und alle am Arbeitsprozess Beteiligten auf die Not der Angehörigen aufmerksam machen.
ABM wurde am 9.10.11 in Frauenfeld unter der Schirmherrschaft der Reform 91 und der SAS Selbsthilfegruppe für Angehörige von Strafgefangene gegründet von durch den Massnahmenvollzug betroffenen Angehörigen. Im vergangenen Jahr hat sich bestätigt, wie wesentlich vollständige Anonymität für Angehörige und Betroffene und Vereinsmitglieder ist, um gesellschaftliche und staatliche zusätzliche Sanktionen zu verhindern.
Selbsthilfe Angehöriger Strafgefangener
Die SAS wurde 2008 von einer verzweifelten Mutter eines durch die Falschbe-urteilung eines forensischen Gutachters lebensgefährlich verletzten jungen Erwachsenen gegründet. Durch Kontaktaufnahme der ABM/SAS tangierte Institutionen der Forensik und Ämter des Straf- und Massnahmenvollzugs zeigten sich bisher abwehrend und abwertend. Eine Zürcher Institution hat sogar unter Ein-bezug von Medien gezielt versucht uns und unsere Arbeit anzuschwärzen. Problempunkt in den Medien scheint immer wieder die kriminelle Vergangenheit des Präsidenten der Reform 91 und seine provozierende Öffentlichkeitsarbeit zu sein. Obwohl er seit 10 Jahren rehabilitiert ist, worauf die Forensik und Justiz eigentlich stolz sein könnte. So hat es der schweizweit bekannteste Gefahren-einschätzungsdienst fertig gebracht zu vermuten, dass die ärztliche Leiterin und Vorsitzende der ABM den Kontakt zum Dienst im Auftrag vom Präsidenten der Reform 91 gesucht hätte um ihn auszuspionieren und dann zu eliminieren.
Tatsächlich hat diese nur einen Zertifikatslehrgang in Forensik absolviert und sich für Grundlagen der Risikoeinschätzungsinstrumente und der Delikt orientierten Therapie nach Urbaniok im Rahmen ihrer Weiterbildung interessiert. Weit befremdlicher ist aber die Deckung oder gar Unterstützung solcher offensichtlich fragwürdigen Verleumdungen durch die Staatsgewalt und ihrer Organe sowie die Medien.
Angehörige von zu Massnahmen verurteilten Straftätern werden mit einer unmen-schlichen Medizin, Psychiatrie und Therapie konfrontiert und der konsequenten Ablehnung ihrer Existenz, Person und Beziehung. Schon aufgewühlt, verletzt durch die Situation der Geschehnisse, abgewertet durch die gesellschaftliche Einstellung haben sie keine Ansprechpartner, die ihnen vorurteilsfrei begegnen wollen und können.
Deshalb wurde eine Anlaufstelle gegründet, die sich am 15.11.12 von der Reform 91 getrennt hat, aufgrund zu erwartender postiverer Aufnahme, wenn sie nicht mehr unter dem Präsidium eines wohl Rehabilitierten und austherapierten Exgefangenen steht. Vorerst wird sie als eine weitere lose Initiative im Kultur- und Begegnungsort zeme des Zentrums Mettschlatt geführt. Politische und rechtliche Vorstösse werden nach wie vor vom Präsidenten und der Geschäftsleitung der Reform 91 getätigt werden, die sich Verleumdungen und Anwürfe gewohnt sind und sie unbelasteter überstehen können als die betroffenen Angehörigen oder Betroffenen des Mass-nahmevollzugs. Leider fehlt aktuell ein Interesse unsere konstruktiv angebrachte Kritik aufzunehmen und wir werden wohl vorerst mit anderen von Übergriffen betroffenen Randgruppen-intensiver zusammen arbeiten müssen um überhaupt respektiert und toleriert zu werden.
Angehörige von Betroffenen im Massnahmenvollzug sind im zeme, Zentrum Mettschlatt, einem seit 1995 bestehenden experimentellem Versuch eines menschlichen Miteinanders am Ort von integralem Leben und Heilen, jederzeit willkommen. Auftanken im Kontakt mit andern Betroffenen und persönlich be-troffenen Fachleuten ist hier möglich. Wird psychiatrisch-psychotherapeutisch Hilfe oder forensische oder juristische Beratung gebraucht, kann diese vermittelt werden. Viele Angehörige müssen verdrängen, abspalten um zu überleben. Belastend ist für sie nirgends dazuzugehören, nicht mehr zum Inhaftierten, den nun der Staat ver-waltet und nicht mehr zur Gesellschaft, die von solchen Dingen nichts wissen will und kann. Das zehrt aus.
Im zeme gibt es einen nährenden Erholungs- und Behandlungsraum eines ganz alltäglichen Nebeneinanders und einem vielfältigen Angebot von Massage, Kosmetik, Kultur, Phytotherapie, Ayurveda, Naturarzt, Yoga, Meditation, Tanz und Musik.
Die SAS, Selbsthilfegruppe Angehöriger Straffälliger, trifft sich regelmässig am letzten Samstag des Monats jeweils um 19 Uhr im zeme des Zentrum Mettschlatts. Wer bis Sonntag bleiben und am sonntäglichen für alle offenen zeme Brunch von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr teilnehmen will, ist herzlich dazu eingeladen.
Wer etwas früher kommen will, kann an der für alle offenen dynamischen Meditation von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr teilnehmen und der anschliessenden 14-täglichen abgehaltenen ABM/SAS Sitzung. Vorstand und Aktivmitglieder der ABM/SAS treffen sich bereits um 17:00 Uhr um die laufenden Geschäfte zu besprechen, genauso zusätzlich alternierend am Mittwoch, Mitte Monat um 18:00 Uhr in der TIPS Anlaufstelle in Andelfingen an der Schwellistrasse 43.
Ziel der ABM/SAS ist es als Selbstbetroffene und Fachleute, Angehörige und Betroffene im Verlauf nach einer Tat, während der angeordneten Massnahmen zu unterstützen und auch darüber hinaus zu begleiten, sie sozial zu integrieren und vor aktiver und absichtlicher Ächtung und Verletzung ihrer Menschenrechte zu be-wahren und schützen. Dafür wollen wir mit den die Massnahmen durchführenden Institutionen konstruktiv zusammenarbeiten und uns bezüglich medialer Arbeit mit anderen Organisationen zusammen schliessen (IG-FFP, AUA, Psychex, …) und die Öffentlichkeit bezüglich der Wahrnehmung, der Auswirkung der politischen Haltung gegenüber psychisch Kranken Straffälligen und ihrer Angehörigen zu sensibilisieren.
Wer medizinisch psychiatrische Behandlung braucht kann direkt über die TIPS Anlaufstelle in Andelfingen um einen Termin ersuchen: 052 317 01 73 oder angehoerige@gefangeneangehörige.ch.
Wer sich sozial, kulturell oder persönlich betroffen fühlt, interessiert ist, mithelfen möchte oder auch mal eine Auszeit braucht, melde sich über 052 657 40 30 oder angehoerige@gefangeneangehörige.ch die integrale Yogaschule des zeme TIPS.